Zunächst lassen sich diese klassischen Formen unterscheiden:
Unfreie Knechte und Mägde
Unfreie Knechte und Mägde (auch als „Unfreie“ bezeichnet) sind häufig durch Schulden (eigene oder Sippenhaft) in Knechtschaft geraten. Unfreie sind rechtlich gesehen Gegenstände ihrer Herren und sind von ihnen völlig abhängig. Moralisch werden sie in der Regel wie Menschen behandelt.
Sie besitzen keinen teuren Schmuck und nur einfache Kleidung in Naturfarben gehalten (Weiß/Beige/Grau/Braun).
Die Unfreien versuchen Zeit ihres Lebens ihre Schuld bei ihrem Herrn abzugelten. Dies kann z.B. durch die Arbeit auf dem Hof, Kriegsdienst oder Verkauf von produzierten Waren geschehen.
Unfreie werden nur einfache Waffen tragen dürfen und dies auch nur, wenn es der Herr erlaubt.
Dein Charakter sollte sich optisch von den einfachen freien Leuten unterscheiden. Dein Charakter sollte zumindest grob wissen, warum er „verschuldet“ ist. Hat dein Charakter das Ziel wieder frei zu werden? Oder hat er die Annehmlichkeiten des Ganzen erkannt?
Als Unfreier hast Du zwar kein Rede- und Stimmrecht auf dem Thing, aber Du hast meist ein Dach über dem Kopf, kannst an einem warmen Feuer schlafen und hast etwas zu Essen im Magen. Dies sind alles keine Selbstverständlichkeiten für das Frühmittelalter. Klar, muss Du hart arbeiten und das tun, was man Dir aufträgt, aber das müssen die freien Männer und Frauen auch. Machst Du einen groben Fehler, so fällt dies auch, wenn nicht sogar in erster Linie, auf Deinen Herrn zurück. Dieser muss dann versuchen die Sache für Dich gerade zu biegen.
Das Unfreien-Konzept eignet sich besonders gut für Anfänger. In manchen Gruppen starten Neulinge automatisch als Unfreie. Dies geschieht nicht, um sie zu gängeln, sondern um sie bestmöglich an die Hand zu nehmen und sie durch die ersten Cons zu leiten. Unfreien-Spiel macht sehr viel Spaß. Die Unfreien unter sich haben oft Geheimnisse, Rituale und Ränkespielchen:
- Durch bewirten (Essen und Getränke bringen) der anderen Charaktere kommt man mit vielen ins Gespräch und kann sich vielleicht das ein oder andere Kupferstück verdienen. Dies kann man dann heimlich einstecken (Konfliktspiel) oder an den Herrn abdrücken (Ständespiel). Außerdem hört man vielleicht das ein oder andere Geheimnis…
- Man braucht keine großen Reden zu schwingen und seine Ehre verteidigen. Dafür ist der jeweilige Herr zuständig
- Man kann einfach mal daneben sitzen und eine beobachtende Rolle einnehmen. Hört zu, lernt und muss keine Angst haben in ein Fettnäpfchen zu treten.
Für Fortgeschrittene:
- Ist man fest im Spiel verankert, kann man versuchen sich durch besondere Dienste und Taten einen Namen zu machen. Vielleicht wird man dann schneller freigesprochen?
- Man kann die Beziehung zum Herrn und anderen „wichtigen Leuten“ ausgestalten. Ist man sehr vertraut miteinander? Kennt man einige Geheimnisse, die man gegen ihn verwenden könnte? Mag man ihn nicht und verbreitet heimlich Gerüchte über ihn?
- Man kann sich mit den anderen Unfreien zusammenschließen und austauschen, oder man wird zum Unfreien, den alle anderen fürchten (Bully)
Freigelassene und Halbfreigelassene
Wird ein Unfreier (oder sehr selten auch Sklave) von seinem Herrn freigesprochen, oder hat er sich seine Freiheit bei seinem Herrn erkauft, so gilt er zunächst als Halbfreigelassener.
Erst mit der Bestätigung der Freilassung durch das Thing, gilt er als frei, genießt die damit verbundenen Rechte und Pflichten und hat ab diesem Zeitpunkt eine Stimme vor dem Thing.
Sklaven (Thraells)
Bei Sklaven handelt es sich um Gefangene, welche versklavt worden sind. Diese können aus dem „eigenen Land“ (z.B. verfeindeter Nachbar) oder aus dem „Ausland“ (z.B. Kriegszug) kommen. Oder sie wurden auf einem Sklavenmarkt gekauft. Sie können vorher bereits Sklaven (z.B. seit Geburt), frei oder auch adelig gewesen sein (z.B. ein verfeindeter Jarl nimmt die Tochter des besiegten Jarls als Sklavin mit). Sie haben in der Regel keine Schuld, außer, dass sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren.
Auch ein Sklave kann es weit bringen. Es gibt sogar Geschichten, in denen ein Sklave der Stellvertreter seines Herrn wurde. Die meisten sind jedoch einfache Arbeiter.
Sklaven sind rechtlich gesehen wie Gegenstände, bzw. Tiere zu sehen. Sie sind vollkommen abhängig vom ihrem Herrn und dessen Stimmung. Sie haben kein Rede- und Stimmrecht auf dem Thing und ihre Chancen je frei zu werden sind recht schlecht.
Sie besitzen keinen Schmuck und nur einfache Kleidung in Naturfarben gehalten (Weiß/Beige/Grau/Braun).
Sklaven sollten in keinem Fall eine Waffe tragen, außer ihr Herr erlaubt es ihnen.
Das Sklavenspiel ist ähnlich aufgebaut, wie das Unfreien-Spiel, eignet sich aber nur begrenzt für Neulinge, da hier mit deutlich mehr Härte und Konsequenz im Spiel zu rechnen ist. Es ist eher etwas für Fortgeschrittene, die die feinen Verflechtungen im Stände- und Gesellschaftsspiel beherrschen um nicht in Konflikte zu geraten, die dann schlecht (tödlich) für den Charakter ausgehen.
Kein Unfreier/Sklave ohne Herr oder Die Bringschuld des Herrn
Solltest Du Dich nun entschieden haben, einen Sklaven oder Unfreien zu spielen, so ist folgendes unerlässlich:
Zunächst solltest du dir einen Herrn (Herrin) suchen, dem du OT vertraust!
Die Herrenrolle trägt die OT-Verantwortung für den Spielspaß der unfreien Rolle (Unfreier/Sklave). Natürlich heißt das nicht, dass die unfreie Rolle keine Verantwortung für ihren eigenen Spielspaß trägt. Sie kann nur nicht so leicht Einfluss darauf nehmen wie die Herrenrolle. Deshalb ist es sehr wichtig, dass der Herr den Spielspaß seines unfreien Mitspielers nie aus den Augen verliert.
Die Herausforderung für den unfreien Spieler liegt darin, dass man seine Eigenständigkeit aufgibt und sie in die Hände einer anderen Person legt, die das Spiel dann vollkommen kontrollieren kann. Als unfreier Spieler reagiert man zum größten Teil nur noch auf die Befehle seines Herrn. Wie man diese Befehle ausführt, ob schnell oder nachlässig, ganz genau oder eher vergesslich, dass bleibt jedem selbst überlassen und wird dann das Spiel zwischen den beiden Parteien gestalten.
Umgekehrt ist der Herr in der verantwortungsvollen Position für seinen unfreien Spieler mitzudenken. Dieser möchte nicht unbedingt den ganzen Tag lang Bierflaschen in Krüge umfüllen, sondern richtiges Spiel. Daher macht es häufig Sinn, dem Unfreien klare Aufträge und Aufgaben zu erteilen, oder ihn zu wichtigen Treffen einfach mitzunehmen. Schließlich kann man seinen Reichtum sehr gut durch Unfreie, die einem jeden Wunsch von den Lippen ablesen, darstellen.
Um gut zu harmonieren, solltet Ihr Euch vorher ausführlich OT absprechen. Welche Aufgaben sind IT ok für den Unfreien? Was geht gar nicht? Dürfen auch andere Leute Befehle erteilen? Wie macht man klar, wann es zu viel ist und man eine Pause braucht? Ist der Unfreien-Spieler bereit auf Mitspracherecht, schöne Kleidung und Privilegien zu verzichten?
Dem unfreien Spieler muss klar sein, dass er nicht dieselben Rechte und Pflichten wie ein freier Mensch hat. Manchmal wird es nötig sein, seine eigenen Bedürfnisse im Spiel zurück zu nehmen, weil es einfach nicht zu einem unfreien Charakter passt. Sollte Dir dies nicht zusagen, dann wähle, um ein konsequentes Spiel zu ermöglichen, eine andere Rolle: z.B. einen armen aber freien Mann (Karl). Auch als Karl kannst du per Eid an einen Herrn gebunden sein und so am Anfang „an die Hand genommen werden“. Dein Rederecht musst Du nicht in Anspruch nehmen, wenn Du nichts zu sagen hast. Niemand wird gezwungen auf dem Thing etwas zu sagen, nur weil er frei ist.
Als Unfreier das Spiel maßgeblich mitgestalten
Mit einer schönen und konsequenten Unfreien- oder Sklavendarstellung pusht Du Deinen Herrn und Deine Gruppe. Das gesamte Spiel wird besser und lebendiger. Nach außen Hin erzeugt es oft einen „Wow – bei Euch ist ja was los!“ Effekt.
Durch Kleinigkeiten kannst Du Deinen eigenen Stand erniedrigen und den des Herrn erheben:
- Unfreie sitzen nicht auf gleicher Höhe. Sitze immer niedriger oder stehe dahinter
- Mache sofort Platz, sollte eine höhergestellte Person den Platz benötigen/vorbeigehen
- Reiche erst dem Herrn und anderen wichtigen Leuten das Essen. Esse dann erst selbst.
- Stelle den Herrn in der Öffentlichkeit nie bloß, z.B. durch Widerworte (außer Du wünscht Konfliktspiel)
Die andere Seite: Wie bespiele ich die Unfreien und Sklaven?
Sklaverei und Leibeigenschaft sind uns heutzutage zum Glück so fremd, dass manch einer gar nicht weiß, wie man im LARP damit umgehen soll…
Historisch gesehen, gab es unter den Nordleuten natürlich Sklavenhändler. Dieser „Beruf“, als auch der Besitz von Sklaven war absolut nichts Unübliches. Es wird also ein völlig normaler Zustand dargestellt. Verabschiede Dich von deiner modernen Moralvorstellung.
Ganz wichtig: Bitte halte Dir vor Augen, dass Spieler, die eine Rolle als Unfreier bzw. Sklave spielen, dies in ihrem Urlaub tun, auf einer Veranstaltung für die sie viel Geld bezahlt haben! Du kannst also davon ausgehen, dass sie das freiwillig machen und diese Rolle bewusst gewählt haben. Sie möchten also entsprechend auch als Sklave/Unfreier bespielt werden. Verschiedene Wege mit Unfreien/Sklaven umzugehen:
Sehr gut – Go! | Geht so – aber noch ok | Auf keinen Fall – No Go |
Spieler XY trifft auf einen Unfreien/Sklaven und erkundigt sich bei seinem Herrn, ob er sich von dessen Unfreien/Sklaven auch bedienen lassen kann. | Spieler XY trifft auf einen Unfreien/Sklaven und behandelt ihn wie einen freien Mann (freie Frau natürlich auch…). Es wird geknuddelt, zusammen gesungen, getanzt und gelacht | Spieler XY trifft auf einen Unfreien/Sklaven und meint ihn befreien zu müssen (zur Not auch mit Gewalt) bzw. frei zu kaufen à frei = Charakterkonzept tot |
Spieler XY sieht wie ein Unfreier/Sklave auf seinem Stuhl sitzt und scheucht ihn umgehend weg. | Spieler XY trifft auf einen Unfreien/Sklaven und ….ignoriert ihn aus Angst etwas falsch zu machen | Spieler XY kommt aus einem Land, wo Sklaverei nicht denkbar wäre oder er war selbst mal Sklave. Er erschlägt den Besitzer und sagt dem Sklaven/Unfreien Spieler: „nun bis du frei!“ à frei = Charakterkonzept tot |
Spieler XY sieht wie sich ein Unfreier/Sklave falsch verhält und weist ihn zurecht. Beispiel: Er schreit ihn an, gibt ihm eine Backpfeife, zieht ihm die Ohren lang, er beschimpft ihn, er verprügelt ihn. | Spieler XY trifft auf einen Unfreien/Sklaven und fühlt sich nicht gut behandelt / bedient oder beleidigt und schneidet ihn um à tot = Charakter tot | |
Spieler XY bespricht Fehlverhalten mit dem Herrn |
Beispiel:
Eine einfache Provokation des unfreien Spielers kann sein, sich auf einen wichtigen Stuhl zu setzen. Es liegt dann anderen Spielern ihm dieses „Privileg“ wieder zu entziehen. Der unfreie Spieler erwartet hier eine Reaktion auf seine Provokation! Gib sie ihm! Lass ihn nicht einfach drauf sitzen, bring ihn aber auch nicht um. Scheuch ihn einfach runter. Das ist nicht so schwer.
Sklaven wollen unterdrückt werden
Eine unfreie Rolle kann man nur spielen, wenn diese auch tatsächlich IT von einer freien Rolle (Herr) unterdrückt wird. Bedingt aber auch, dass sich der Unfreie/Sklave IT unterdrücken lässt.
Unterdrückung kann man schon durch einfache Mittel darstellen: Bitte und Danke des Herrn bleiben aus, der Unfreie / Sklave erwartet auch nicht, dass ihm diese Höflichkeiten entgegengebracht werden (man bedankt sich ja auch nicht bei einem Stuhl, dass man auf ihm sitzen darf).
Eine nette Idee unserem inneren OT Bedürfnis höflich zu sein entgegenzuwirken, stammt aus dem wunderbaren Guide der 1000 Atmosphären:
Wir zitieren:
- „Das wurde aber auch Zeit“ – mögliche IT-Phrase, wenn man gerne Danke sagen will
- „Beeil dich (gefälligst)“ – Das Äquivalent zu Bitte
Die Codewörter lassen sich natürlich auch auf einer viel abstrakteren Ebene verwenden. Auch wenn man sich abgesprochen hat, wie weit man gehen darf und was zu weit geht, kann es im Spiel trotzdem immer wieder zu Situationen kommen, wo es unklar ist, ob man nun zu weit geht oder nicht. Da Unklarheiten OT-Fragen aufwerfen, welche zu stellen spielstörend wären, haben sich folgende Formeln als Ausweichmöglichkeit etabliert:
- „Wenn das deine Mutter wüsste“ – Eine IT-Phrase, mit der das „Opfer“ OT ausdrücken will, dass man sich in der Situation unwohl fühlt, oder es gerade zu weit geht. Die „Täterrolle“ kann also IT zurückrudern (Z.B. „Diesmal bist du noch mit einem blauen Auge davon gekommen“) und die Szene wird nicht von einem OT-Gespräch unterbrochen.
- „Wenn das dein Vater wüsste“ – Eine IT-Phrase, mit der das „Opfer“ OT ausdrücken will, dass der „Täter“ zu lax ist und das „Opfer“ sich nicht genug unterdrückt fühlt. Auch hierbei wird das Spiel nicht unterbrochen. Der Sklavenbesitzer weiß aber, dass er schärfer agieren kann oder das „Danke“ – sagen unterlassen soll.
- „Aber Dominus/Domina, du hast doch gesagt ich soll …“ – Eine IT-Phrase, mit der das „Opfer“ OT ausdrücken will, dass es gerade keine Lust auf das hat, was man ihm befohlen hat, sondern lieber das andere täte, was es mit der Phrase ausdrückt (z.B. “Aber Dominus, du hast doch gesagt ich soll jetzt etwas essen gehen” – “Ach ja, stimmt, na dann troll dich!”).
Im Larp allgemein ist die Phrase „Oh Mutter“ weit verbreitet um zu sagen, dass man aus einer Situation heraus möchte, ob unfrei oder frei, sie kann natürlich von jedem benutzt werden und sollte entsprechend respektiert werden.
Bei vielen Unfreien/Sklaven im GH hat sich das Codewort „ich muss mich ums Feuer kümmern“ inzwischen etabliert um klar zu machen, dass man einer Aufgabe gerade aus OT-Gründen nicht nachkommen kann oder möchte. Ebenso kann es der Herr verwenden, wenn er gerade keine Aufgabe mehr hat und dem Unfreien/Sklaven etwas Freizeit gönnen möchte: „Geh Dich ums Feuer kümmern!“
Schlusswort: Es gibt keine Vereinheitlichung der Unfreiheit, sondern sehr unterschiedliche Konzepte. Was ein Unfreier/Thraell/Sklave eigentlich ist und wie er behandelt wird, ist von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich. Die Spannweite reicht von "wie ein Freier, nur ohne Rederecht auf dem Thing" bis zu "Arsch am untersten Ende der Nahrungskette, der permanent auf den Deckel bekommt". Für unser gemeinsames Spiel ist dies eine Herausforderung! Darum überlege einmal für Dich, wie Du schlüssiges und konsequentes Spiel fördern kannst.