Reisebericht des Alexios Nikerites

  • Im vorigen Jahre brach ich mit den Kaufleuten Tarsites, Kallistos und dem Söldnerhauptmann Apion Gregoras vom Hafen in Byzantium auf um in die Reiche der nördlichen Barbaren zu reisen und sie zu erforschen. Auf meiner Reise sah ich viele Dinge, die ich in diesem Bericht darniedergeschrieben habe.

    Im Norden unseres Reiches jenseits des Meeres leben zahlreiche Barbarenvölker. Gleich von der Küste an lebt das Volk der Rus in ihrem Land, daß die Waräger, welche im Dienste des Kaisers stehen "Gardareich" nennen, was in ihrer Sprache das Reich der Festungen heißt. Östlich von diesen sitzen die Peschenegen und Khazaren, welche aber nicht mit den Rus verwandt sind und andere Sitten und Bräuche haben, noch weiter östlich von diesen leben wilde Steppenvölker und die wilden Bestien der Orces deren Gebiete sich bis zum Ende der Welt im Osten erstrecken sollen und die oft Krieg gegen die anderen Barbaren führen. Westlich von den Reichen der Rus leben Völker, welche ihnen ähnlich sind, aber denen die Verwandschaft zu den Warägern fehlt.


    Nördlich vom Reich der Rus ist wieder ein Meer und jenseits des Meeres hausen die Barbaren, welche uns in Byzantium alle unter dem Namen Waräger bekannt sind. In Wahrheit aber sind diese Barbaren wiedrum in mehrere Völker unterteilt, welche auf der Insel leben, die von Geschichtsschreibern im Altertum als Scandia bezeichnet wird. Dort leben drei Völker welche sich ähnlich sind in Sitte und Sprache.


    Am nächsten zum Meer des Landes der Rus leben in einem Reich die Svear, welche mit den Rus verwandt zu sein scheinen und von denen viele im Süden anzutreffen sind. Westlich von diesen liegt das Land Norvig und im Süden von diesem liegt ein Land mit dem Namen Danmark. Diese drei Völker sind kaum zu unterscheiden und ich verwechselte sie oft miteinander.


    Nördlich der Svear und Norviger wiederum leben Wilde die Finnen genannt werden und oft Krieg gegen die Völker im Süden führen. Südlich der Danen sind weitere Barbaren, die sich Sachsen nennen und an der Küste zum Meer nach Britannien hausen und mit den Völkern von Skandia verwandt zu sein scheinen.


    Von einigen habe ich gehört, daß es drei weitere Völker geben soll, die von den Menschen aus Skandia abstammen. Zum einen sollen einige Norviger vor nicht allzulanger Zeit zu einer Insel gesegelt sein, die man Reykjajar nennt, und dort seither wohnen. Von unbekannter Abstammung sind die in der Ferne lebenden Stämme der Vinländer und Hornwaller über welche ich nur erfahren konnte, daß sie wohl aus Skandia kommen, aber nicht wie sie genau einzuordnen sind.


    Die Erzählungen der Barbaren sind zahlreich und vielfältig und beschreiben oft Heldentaten ihrer Stammesführer oder Generäle im Kampf mit anderen Stämmen oder Untieren und Bestien. Die Geschichten weisen aber alle daraufhin, daß die Barbaren ursprünglich aus dem Osten stammen und vor Jahrhunderten nach Skandia gewandert sind wo sie seitdem leben. Sie selbst nennen die Welt Midgard, was in ihrer sprache die Welt der Mitte heißt, woher auch immer dies kommt.


    Allen Barbaren ist gemein, daß sie übelste Dämonenanbeter sind. Sie verehren viele Wesenheiten, die früher im Altertum auch von unseren Vorfahren verehrt wurden. Die Krieger verehren den uralten Dämon Ares, den sie Odin oder Tyr nennen, dem sie sich im Kampf weihen und der ihnen im Tausch für ihre Seele die Kraft wilder Tiere verleiht. Auch der Teufel Zeus, der bei ihnen Thor heißt wird so hoch gehalten, daß sehr viele von ihnen einen kleinen Hammer um den Hals tragen, denn sie glauben, daß jener einen Hammer hat mit dem er seine Blitze wirft und daß er sie schützen wird, wenn sie sein Zeichen tragen. Die friedlicheren von ihnen verehren den niederen Dämon Kronos, den sie Freyr heißen. Doch auch allen anderen Dämonen des Altertums sind sie wohl rettungslos verfallen.


    Sie ehren diese sowohl in Tempeln aus Holz, kleinen Schreinen im Haus als auch auf offenen Wiesen oder Hainen im Wald. Doch sind sie bei ihrer Dämonenanbeterei nicht unterwürfig sondern scheinen ihre Götzen wie Vertraute anzurufen und sehen ihren Dienst wie einen Vertrag von dem sie auch Gegenleistungen erwarten. Sie sprechen mit ihren Dämonen oft durch Schriftzeichen die sie Runen nennen und die sie dort einschreiben, wo sie die Hilfe jener Teufel brauchen. Auch behaupten viele von ihnen den Dämonen leibhaftig begegnet zu sein.

    Priester sind bei ihnen sowohl Männer als auch Frauen, die oft von Fürsten als Ratgeber gehalten werden und denen die Barbaren mit Respekt begegnen. Oft sprechen diese Hexer und Hexen Weissagungen und Flüche, welche die anderen sehr fürchten und schätzen und sie leiten auch die Volksversammlungen und sind dort manchmal Schiedsrichter, wenn Uneinigkeit herrscht.


    Mehr habe ich über den Kult der Barbaren nicht erfahren können, da ich mich nicht versündigen wollte zu viele Geschichten über die Teufel zu hören oder gar an der widerwärtigen Anbetrei dieser teilzunehmen.


    Die Barbaren sind sehr wild und widerspenstig und so dulden sie nur wenige, die über sie herrschen. Jene scheinen alte Familien zu sein, die sehr viel Einfluß haben und Edle oder Adlige genannt werden. Sie halten sich mit ihrem Reichtum Krieger, die sie vor anderen Fürsten schützen sollen und die ihnen treu ergeben sind. Die Fürsten haben unterschiedlichen Einfluss auf die Freien der Barbaren. In manchen Landstrichen herrschen sie kaum beschränkt, in anderen ist ihnen nur das Recht vorbehalten gegen Fremde Krieg zu führen und dafür die Freien zum Heer zu sammeln. Steuern sind den meisten Barbaren unbekannt und sie würden sich schnell erheben, würde man versuchen sie zu besteuern.


    Die Barbaren treffen sich regelmäßig zur Volksversammlung und sprechen dort Recht und beraten über ihr Schicksal, jeder Freie Mann darf dort sprechen, die Meinung einer Frau aber muß durch einen Mann vertreten werden, sie selbst hat dort zu schweigen. Im täglichen Leben scheint die Frau aber dem Mann gleichgestellt.


    Bei allen Stämmen werden die Krieger sehr hoch gehalten und der Wert eines Mannes wird nach seinen Leistungen im Kampf bemessen, selbst ihre Fürsten, Priester und Dichter ziehen in den Kampf um sich vor den anderen zu beweisen, denn sie mehren ihren Reichtum durch Raub welcher bei sehr angesehen ist und scheuen sich nicht lange von ihren Mordtaten zu erzählen, was ihnen wiederum mehr Krieger verschafft. Die Barbaren sind alle sehr stolz und oft erschlagen sie sich auf der Stelle wegen nichtiger Worte, wenn einer seine Ehre verletzt sieht.

    Manchmal schließen sich umherziehende Banden unter einem gewählten General und Strategos zusammen und reisen in fremde Länder um diese zu verheeren und zu plündern.

    Sie halten sich viele Sklaven, die bei ihnen die Landarbeit machen, denn sie haben wenig Städte und diese sind sehr klein. Sie leben in kleinen Dörfern oder einsamen Gehöften auf das Land verstreut, ihre Fürsten aber haben Festungen, die den Feldlagern des kaiserlichen Heeres ähneln, nur daß Häuser in ihnen sind.


    Die Barbaren kleiden sich in Trachten, die in allen ihren Ländern ähnlich sind. Sie tragen meist eine Tunika und lange einfache Hosen, doch neuerdings tragen sie Pluderhosen nach östlicher Art und finden großen Gefallen an diesen. Auch tragen sie oft lange Umhänge, die sie über der rechten Schulter verschließen und die in vielen Farben daherkommen. Sie tragen oft verschiedene Mützen aus Stoffen und aus Fellen. Wohlhabendere Barbaren tragen stark verzierte Trachten und viele tragen, so unvorstellbar es klingt Felle die sie sich roh um die Schultern werfen. Feinere kleidung ist ihnen zwar bekannt, doch scheinen sie Stolz darin zu empfinden sich trotzdem die Felle wilder Tiere umzuhängen.


    Die Frauen tragen ähnliche Kleider wie unsere Weiber, lange Gewänder aus Stoff mit einer Schürze darüber, die an den Schultern gehalten wird. Doch sieht man manchmal auch welche deren Kleidung der der Männer nicht unähnlich ist.


    Die Barbaren handeln bevorzugt mit Fellen und Pelzen, sowie mit Sklaven, die sie von ihren Beutezügen in großer Zahl heimführen. Aber auch mit Schmiedewaren aller Art und Bernstein machen sie gute Geschäfte.


    Sie kaufen sehr gerne südliche Weine, Silbermünzen und vor allem feine Stoffe aber auch manche Waffen sehen sie mit Freude.


    Ihre Händler reisen in die weitesten Teile der Welt und ihre Schiffe fürchten das offene Meer nicht. Doch ist bei den Händlern der nördlichen Barbaren Vorsicht geboten, da sie auch mehr als bereit sind zu Räubern zu werden, wenn sich die Gelegenheit bietet und dazu auch viele Waffen bei sich haben.


    Da sie oft Krieg führen sind sie sehr tapfer und fürchten den Tod nur selten. Nahezu alle streben ins Reich der Dämonen, was sie Walhalla nennen, aufgenommen zu werden und sie glauben, daß sie nur durch den ehrenhaften Tod auf dem Schlachtfeld dorthin geraten können, wenn sie sich vor den niederen Dämonen als würdig erweisen, daß sie sie in jenes Reich tragen. So gehen sie mit einer Todesverachtung in den Kampf, die selten bei anderen gesehen wird und suchen den Tod eher als sie ihn scheuen.


    Sie kennen einige Schlachtenanordnungen und sind fähig zur Kriegslist, doch stets wollen sie in der ersten Reihe stehen um so viele Feinde wie möglich zu erschlagen. Sie kämpfen nach Familien, sogar Frauen tragen manchmal Waffen, und Fürstentümern geordnet und kennen kaum Anordnungen nach Art der Bewaffnung. Sind sie im Frieden widerspenstig so sind sie auf dem Schlachtfeld ihren Fürsten gegenüber sehr folgsam und leisten Eide darauf in der Schlacht auf ihre Befehle zu hören.


    Vor dem Kampf versuchen sie den Kriegsdämon Ares auf sich aufmerksam zu machen, indem sie seinen Namen, der bei ihnen wie gesagt Odin heißt, lauthals schreien und es soll fürchterlich klingen, habe ich mir sagen lassen. In der Schlacht tragen sie viele Schilde, die oft kreisrund und bunt bemalt sind sowie Schwerter, Streitäxte und Lanzen. Oft nutzen sie in der Verteidigung den Bogen, seltener beim Angriff. Sie haben eine sehr gefährliche Waffe, die sie Dänenaxt nennen und die oft bei den Warägern im Palast des Kaisers gesehen werden kann. Die einfachen Krieger haben selten mehr Panzerung als einen Eisenhelm, doch die Leibwachen der Fürsten, sowie die Plünderer und Räuber, die andere Länder verheeren sind bestens ausgerüstet mit Kettenpanzern und anderen Rüstungen, Helmen sowie Arm- und Beinzeug. In der Tat steht ein solches Räuberheer kaum einer kaiserlichen Hundertschaft nach, was die Ausrüstung betrifft.


    In der Schlacht selbst suchen sie schnell den Nahkampf und sie haben keinen Strategen der ihre Bewegungen überwacht, im Gegenteil kämpfen ihre Generäle in der ersten Reihe, denn auch sie wollen Einzug halten in das Dämonenreich Walhalla.


    All dieses habe ich auf meiner Reise über das Reich der Rus, durch das Reich der Svear und Norvig bis in die Danmark vernommen und bin sicher heimgekehrt im dritten Jahr der Regentschaft des heiligen Kaisers Theodosius II. dem Herrscher aller Gläubigen, Beschützer und Mehrer des Reiches,


    Alexios Nikerites