- Authentizität: entsprechen die dargestellten Verhältnisse der damaligen Zeit; gehen die Menschen so miteinander um, wie es damals anzunehmen war; entsprechen die Häuser und Siedlungen dem, was wir heute vom frühen Mittelalter und der jeweiligen Region denken; sind Kleidung, Ausrüstung und Waffen historisch korrekt dargestellt?
* Realitätsnähe: verläuft die Handlung realistisch in der jeweiligen Situation - auch in Bezug auf die dargestellte Zeit und Region; treffen die Charaktere Entscheidungen, die ein Mensch der damaligen Zeit so auch getroffen hätte; können vorkommende Ereignisse der früheren Realität entsprechen?
* Bei der Realitätsnähe müssen allerdings drei Dinge beachtet werden:
- Erstens werden in der Regel ja nur besondere Geschehnisse verfilmt bzw. als Buch beschrieben - dies ist nicht der übliche langweilige Alltag, denn über diesen wurde eben weniger berichtet und dafür interessieren sich auch weniger Zuschauer / Leser; d.h. bereits bei der Auswahl des Film- / Buch-Topos erfolgt eine Fokussierung auf einen ganz außergewöhnlichen Abschnitt der Realität.
- Zweitens erfordert die Medien Film und Buch wegen der begrenzten Dauer / Seitenzahl und wegen der begrenzten Aufmerksamkeitsspanne des Zuschauers / Lesers eine starke Verdichtung von außergewöhnlichen Ereignissen. Wenn diese Ereignisse in der Realität über zehn Jahre verteilt sind, ist es eben schwierig, die ganzen zehn Jahre irgendwie im Medium darzustellen; deshalb werden oft die Höhepunkte unrealistisch nahe zusammengerückt, aber das ist medienbedingt der Fall und hat bei mir keine Abstriche bei der Beurteilung der Realitätsnähe zur Folge.
- Drittens ist speziell beim Film die Bildsprache wichtig; um eine gewisse Botschaft oder einen Eindruck zu vermitteln macht es deshalb teilweise Sinn, leicht unrealistische (oder unauthentische) Kunstgriffe zu verwenden. Ich habe schon von Regisseuren gelesen, die einen möglichst realistischen und authentischen Film drehen wollten und von sehr fachkundigen Geschichts-Experten beraten wurden, die aber dennoch absichtlich solche unrealistischen / unauthentischen Aufnahmen verwendeten und den Experten dafür auch einen nachvollziehbaren guten Grund liefern konnten. Allerdings mache ich bei solchen Kunstgriffen einen Abzug bei der Realitätsnähe.
Vorab: ich bin absolut kein Rus-Experte, deshalb bitte ich um Korrekturen und Kommentare seitens der Experten.
Der Film erzählt die Geschichte von Vladimir ("Waldemar") dem Großen und der Christianisierung der Kyjiwer Rus. Dabei geht es auch um den Konflikt der drei Söhne des früheren Großfürsten Swjatoslaw ("Sveinald") um sein Erbe. Der Film ist daher durchzogen von Intrigen, Racheaktionen und Machtspielen. Darüber hinaus kommt auch das Thema der Religion sehr stark vor: auf der einen Seite die bisherige slawische Religion, die teilweise auch Blutopfer verlangt, auf der anderen das byzantinische Christentum, das - zumindest im Film - hauptsächlich mit dem Leben nach dem Tod und der Vergebung schlimmer Sünden wirbt.
Neben den Ränkespielen innerhalb der Rus treten drei weitere Völker in Erscheinung:
- schwedische Söldner, die von Vladimir angeworben wurden, um ihm beizustehen,
- Petschenegen, d.h. ein asiatisches Steppenvolk, das als Reiternomaden süd-östlich von Kyjiw lebte und als Gegner von Vladimir auftritt,
- Byzantiner (im Film korrekt als "Römer" bezeichnet), die auch Siedlungen an der Schwarzmeerküste und insbesondere auf der Krim besaßen. Sie werden als Gesandte, Verbündete und Gegner dargestellt.
Soweit ich es nachgelesen habe, hält sich der Film einigermaßen an historische Überlieferungen (wie realistisch diese sind, ist eine andere Geschichte). Dabei kommen auch wirklich unrealistisch wirkende Szenen vor; beispielsweise wo die Schweden auf ihren Schiffen einen schlammigen Hang hinunter in das Petscheneggen-Heer fahren. Ich meine aber, ich hätte irgendwo gelesen, dass das sogar in irgendeiner Überlieferung steht. Es kommen Berserker vor, aber diese werden meiner Meinung nach realistisch dargestellt: nach Trinken eines Aufputschmittels steigern sie sich gegenseitig in eine Art Aggro-Wahn hinein und gehen dann auf den Feind.
Vladimir selbst wirkt nach meinem Gefühl meistens nicht wie ein Anführer sondern steht oft verloren und wankelmütig in der Gegend herum und weiß nicht, was er jetzt machen oder befehlen soll. Ob so ein Anführer lange Anführer geblieben wäre, wage ich zu bezweifeln. Wie die Menschen - Freunde, Feinde, Verwandte - ansonsten miteinander umgehen, finde ich hingegen sehr realistisch. Auch die Kampfszenen finde ich realistisch (bis auf die Eingangsszene, bei der ein computeranimierter viel zu großer Auerochse gejagt wird).
Leider springt die Handlung recht stark, so dass man manche Szenen und Handlungsfortgänge nicht wirklich gut einordnen kann.
Die Ausstattung gefällt mir an und für sich sehr gut: die Waffen (Bartäxte, Schwerter) und auch die Schilde sind realistisch, und auch die Bauwerke - es sind eigentlich alles Holzbauten, davon viele Blockhäuser - sehen für mich authentisch aus (wobei ich mich in diesem Thema in Osteuropa nicht auskenne). Allerdings ist alles übertrieben dreckig, schlammig und braun - sogar die Schilde sind oft braun oder mit bräunlicher Patina. Kleinere Fehler (z.B. lateinische statt griechischer Schrift in der Basilika) trüben den positiven Eindruck nur wenig.
Die Kleidung ist auch fast durchgängig braun - was unrealistisch ist - und auch vom Schnitt und Material her nicht authentisch (zu viel Leder). Auch die Rüstungen und Helme erschienen mir nicht authentisch (häufig Brigantinen - komische Helme mit Wangenklappen - oft aus Leder oder Textil).
Insgesamt finde ich den Film trotzdem sehr gut und sehenswert.
Authentische Szenerie: ![]()
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Realistische Handlung: ![]()
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